§ 56 BRAO
§ 56 Besondere Pflichten gegenüber dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer
(1) 1In Aufsichts- und Beschwerdesachen hat der Rechtsanwalt dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer oder einem beauftragten Mitglied des Vorstandes Auskunft zu geben sowie auf Verlangen seine Handakten vorzulegen oder vor dem Vorstand oder dem beauftragten Mitglied zu erscheinen. 2Das gilt nicht, wenn und soweit der Rechtsanwalt dadurch seine Verpflichtung zur Verschwiegenheit verletzen oder sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung oder Vorlage seiner Handakten die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat, einer Ordnungswidrigkeit oder einer Berufspflichtverletzung verfolgt zu werden und er sich hierauf beruft. 3Der Rechtsanwalt ist auf das Recht zur Auskunftsverweigerung hinzuweisen.
(2) 1In Vermittlungsverfahren der Rechtsanwaltskammer hat der Rechtsanwalt auf Verlangen vor dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer oder einem beauftragten Mitglied des Vorstandes zu erscheinen. 2Das Erscheinen soll angeordnet werden, wenn der Vorstand oder das beauftragte Vorstandsmitglied nach Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass hierdurch eine Einigung gefördert werden kann.
(3) 1Der Rechtsanwalt hat dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer unverzüglich anzuzeigen,
1.
daß er ein Beschäftigungsverhältnis eingeht oder daß eine wesentliche Änderung eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses eintritt,
2.
daß er dauernd oder zeitweilig als Richter, Beamter, Berufssoldat oder Soldat auf Zeit verwendet wird,
3.
daß er ein öffentliches Amt im Sinne des § 47 Abs. 2 bekleidet.
2Dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer sind auf Verlangen die Unterlagen über ein Beschäftigungsverhältnis vorzulegen.
§ 57 BRAO
§ 57 Zwangsgeld bei Verletzung der besonderen Pflichten
(1) 1Um einen Rechtsanwalt zur Erfüllung seiner Pflichten nach § 56 anzuhalten, kann der Vorstand der Rechtsanwaltskammer gegen ihn, auch zu wiederholten Malen, Zwangsgeld festsetzen. 2Das einzelne Zwangsgeld darf eintausend Euro nicht übersteigen.
(2) 1Das Zwangsgeld muß vorher durch den Vorstand oder den Präsidenten schriftlich angedroht werden. 2Die Androhung und die Festsetzung des Zwangsgelds sind dem Rechtsanwalt zuzustellen.
(3) 1Gegen die Androhung und gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes kann der Rechtsanwalt innerhalb eines Monats nach der Zustellung die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofes beantragen. 2Der Antrag ist bei dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer schriftlich einzureichen. 3Erachtet der Vorstand den Antrag für begründet, so hat er ihm abzuhelfen; andernfalls ist der Antrag unverzüglich dem Anwaltsgerichtshof vorzulegen. 4Zuständig ist der Anwaltsgerichtshof bei dem Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Rechtsanwaltskammer ihren Sitz hat. 5Auf das Verfahren sind die §§ 307 bis 309 und 311a der Strafprozessordnung sinngemäß anzuwenden. 6Die Gegenerklärung (§ 308 Abs. 1 der Strafprozeßordnung) wird vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer abgegeben. 7Die Staatsanwaltschaft ist an dem Verfahren nicht beteiligt. 8Der Beschluß des Anwaltsgerichtshofes kann nicht angefochten werden. 9§ 116 Absatz 2 gilt entsprechend.
(4) 1Das Zwangsgeld fließt der Rechtsanwaltskammer zu. 2Es wird auf Grund einer von dem Schatzmeister erteilten, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen beglaubigten Abschrift des Festsetzungsbescheides nach den Vorschriften beigetrieben, die für die Vollstreckung von Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten. 3§ 767 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass Einwendungen, die den Anspruch selbst betreffen, nur insoweit zulässig sind, als sie nicht in dem Verfahren nach Absatz 3 geltend gemacht werden konnten. 4Solche Einwendungen sind im Wege der Klage bei dem in § 797 Absatz 5 der Zivilprozessordnung bezeichneten Gericht geltend zu machen.
§ 74 BRAO
§ 74 Rügerecht des Vorstandes
(1) 1Der Vorstand kann das Verhalten eines Rechtsanwalts, durch das dieser ihm obliegende Pflichten verletzt hat, rügen, wenn die Schuld des Rechtsanwalts gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. 2§ 113 Abs. 2 und 3, § 115b und § 118 Abs. 2 gelten entsprechend.
(2) 1Der Vorstand darf eine Rüge nicht mehr erteilen, wenn das anwaltsgerichtliche Verfahren gegen den Rechtsanwalt eingeleitet ist oder wenn seit der Pflichtverletzung mehr als drei Jahre vergangen sind. 2Eine Rüge darf nicht erteilt werden, während das Verfahren auf den Antrag des Rechtsanwalts nach § 123 anhängig ist.
(3) Bevor die Rüge erteilt wird, ist der Rechtsanwalt zu hören.
(4) 1Der Bescheid des Vorstandes, durch den das Verhalten des Rechtsanwalts gerügt wird, ist zu begründen. 2Er ist dem Rechtsanwalt zuzustellen. 3Eine Abschrift des Bescheides ist der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht mitzuteilen.
(5) Gegen den Bescheid kann der Rechtsanwalt binnen eines Monats nach der Zustellung bei dem Vorstand Einspruch erheben.
Über den Einspruch entscheidet der Vorstand; Absatz 4 ist entsprechend anzuwenden.
(6) 1Die Absätze 1 bis 5 sind auf Personen, die nach § 60 Absatz 2 Nummer 3 einer Rechtsanwaltskammer angehören, entsprechend anzuwenden.
Fußnote
§ 74 Abs. 5: Mit GG vereinbar BVerfGE v. 10.11.1964, 1965 I 15 - 2 BvL 14/61 -
§ 74a BRAO
§ 74a Antrag auf anwaltsgerichtliche Entscheidung
(1) 1Wird der Einspruch gegen den Rügebescheid durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer zurückgewiesen, so kann der Rechtsanwalt innerhalb eines Monats nach der Zustellung die Entscheidung des Anwaltsgerichts beantragen. 2Zuständig ist das Anwaltsgericht am Sitz der Rechtsanwaltskammer, deren Vorstand die Rüge erteilt hat.
(2) 1Der Antrag ist bei dem Anwaltsgericht schriftlich einzureichen. 2Auf das Verfahren sind die §§ 308, 309 und 311a der Strafprozessordnung sinngemäß anzuwenden. 3Die Gegenerklärung (§ 308 Abs. 1 der Strafprozeßordnung) wird von dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer abgegeben. 4Die Staatsanwaltschaft ist an dem Verfahren nicht beteiligt. 5Eine mündliche Verhandlung findet statt, wenn sie der Rechtsanwalt beantragt oder das Anwaltsgericht für erforderlich hält. 6Von Zeit und Ort der mündlichen Verhandlung sind der Vorstand der Rechtsanwaltskammer, der Rechtsanwalt und sein Verteidiger zu benachrichtigen. 7Art und Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Anwaltsgericht. 8Es hat jedoch zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) 1Der Rügebescheid kann nicht deshalb aufgehoben werden, weil der Vorstand der Rechtsanwaltskammer zu Unrecht angenommen hat, die Schuld des Rechtsanwalts sei gering und der Antrag auf Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich. 2Treten die Voraussetzungen, unter denen nach § 115b von einer anwaltsgerichtlichen Ahndung abzusehen ist oder nach § 118 Abs. 2 ein anwaltsgerichtliches Verfahren nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden darf, erst ein, nachdem der Vorstand die Rüge erteilt hat, so hebt das Anwaltsgericht den Rügebescheid auf. 3Der Beschluß ist mit Gründen zu versehen. 4Er kann nicht angefochten werden.
(4) 1Das Anwaltsgericht, bei dem ein Antrag auf anwaltsgerichtliche Entscheidung eingelegt wird, teilt unverzüglich der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht eine Abschrift des Antrags mit. 2Der Staatsanwaltschaft ist auch eine Abschrift des Beschlusses mitzuteilen, mit dem über den Antrag entschieden wird.
(5) 1Leitet die Staatsanwaltschaft wegen desselben Verhaltens, das der Vorstand der Rechtsanwaltskammer gerügt hat, ein anwaltsgerichtliches Verfahren gegen den Rechtsanwalt ein, bevor die Entscheidung über den Antrag auf anwaltsgerichtliche Entscheidung gegen den Rügebescheid ergangen ist, so wird das Verfahren über den Antrag bis zum rechtskräftigen Abschluß des anwaltsgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt. 2In den Fällen des § 115a Abs. 2 stellt das Anwaltsgericht nach Beendigung der Aussetzung fest, daß die Rüge unwirksam ist.
(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Personen, die nach § 60 Absatz 2 Nummer 3 einer Rechtsanwaltskammer angehören, entsprechend anzuwenden.
(7) § 116 Absatz 2 gilt entsprechend.